Es gibt in Deutschland über 7 Mio. Minijobs, davon sind mehr als zwei Drittel der ausschließlich geringfügig Beschäftigten weiblich. Schon der erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung stellte fest: „Problematisch sind Minijobs vor allem, wenn sie die ausschließliche Form der Erwerbsarbeit darstellen. […] Minijobs haben nur selten eine Brückenfunktion zur Vollzeitbeschäftigung und zu einem existenz-sichernden individuellen Erwerbseinkommen.“. Die derzeit geltenden Rahmenbedingungen für Minijobs lassen diese insbesondere für verheiratete Frauen attraktiv erscheinen, dabei wird jedoch verkannt, dass dies nur aufgrund der weiterhin bestehenden Vergünstigungen im Steuerrecht (Ehegattensplitting) und der Sozialversicherung (Familienversicherung) möglich ist. Ändern sich die persönlichen Umstände, so stellt sich der Minijob für viele Menschen als Hindernis heraus. Verheiratete Frauen verbleiben im Durchschnitt 8 Jahre im Minijob und haben einen durchschnittlichen Verdienst von unter 300 Euro, dies ergibt einen Rentenanspruch von 24 Euro im Monat. Die zu erwerbenden Rentenansprüche sind so gering, dass sie kaum zu einer Rente oberhalb der Grundsicherung führen. Hier kommt es also zu einer stärkeren Belastung des Sozialleistungssystems für die Zukunft bei der Grundsicherung im Alter, ebenso wird es wahrscheinlicher, dass auch im Rentenalter noch im Minijob gearbeitet werden muss.
Durch das geänderte Unterhalts- und Witwenrentenrecht sind verheiratete Frauen bei einer Trennung oder dem Todesfall des Partners nicht mehr existenzsichernd abgesichert. Haben die Frauen in ihrer Ehe nur einen Minijob ausgeübt, fällt es sehr schwer eine existenzsichernde Beschäftigung zu finden bzw. Rentenansprüche zu erwerben, da die vorhandenen Qualifikationen nicht mehr anerkannt werden. Auch hier werden die Sozialsysteme weiter belastet durch die nötige Aufstockung im Rahmen von Hartz IV. Für alle Minijoberinnen gilt: der Einstieg in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gelingt oftmals nicht, da die vorher erworbenen Qualifikationen nach einer Tätigkeit im Minijob nicht mehr durch Arbeitgeber anerkannt werden. Minijobs erfüllen somit keine Brückenfunktion in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Zusätzlich erschwert wird die Rückkehr in eine Vollzeittätigkeit durch die Steigerung von Teilzeit- und Minijobangeboten durch die Unternehmen. Allein im Kreis Herford sind seit 2004 ca. zehn Prozent der Vollzeitangebote weggefallen, während Teilzeit- und Minijobs im gleichen Umfang zugenommen haben. Bei Wegfall der Minijob-Regelungen wären alle Beschäftigungsverhältnisse steuer- und sozialversicherungspflichtig und alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer könnten entsprechende Ansprüche erwerben.
- noch immer böse Fallen für Frauen
Gerade die Corona-Pandemie wirft erneut schlechtes Licht auf die Arbeitsbedingungen eines Minijobs. Kurzarbeit ist keine Option - Kündigung heißt hier häufig die Konsequenz. Frauen sind davon besonders häufig betroffen.
Ein neuer Beitrag von FrauTV greift das dem Netzwerk "Frauen & Arbeitspolitik im Kreis Herford" altbekannte Leidensthema auf: „Minijob und Ehegattensplitting – für Frauen eine böse Falle!“ zeigt zum wiederholten Male, dass das anfangs attraktiv wirkende Ehegattensplitting und die zunächst vorübergehende Tätigkeit im Minijob sich nachteilig auf die weibliche Erwerbstätigkeit auswirken. Altersarmut sowie geringe bis gar keine Karrierechancen sind nur zwei der vielen Probleme.
Bereits 2016 schaffte es das Netzwerk bis in den Bundestag, um Unterstützung für die Abschaffung der Minijobs sowie des aus den 50er Jahren stammenden Ehegattensplittings zu finden. Auch Ute Klammer, Professorin für Soziologie, beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit dieser Thematik und kämpft für eine Reform der Minijobs und des Ehegattensplittings. Getan hat sich allerdings in den letzten Jahren nichts.
Die laufenden Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene, darunter als starke Kräfte für die notwendigen Reformen SPD und Grüne, lassen uns jetzt hoffen!
Bei Veröffentlichung des CDU/CSU-Wahlprogramms fiel vor allem die von der Partei seit mehreren Jahren angestrebte Erhöhung der Minijob-Verdienstgrenze auf 600 Euro stark negativ auf. Das Netzwerk hat in Bezug darauf versucht, Ralph Brinkhaus MdB zu kontaktieren und eine Stellungnahme zu diesem Thema zu erreichen. Außerdem soll deutlich werden, welche prekären Zustände gerade durch die Pandemie für Minijobber*innen und Geringverdienende entstanden sind und hier dringlichst eine Reform notwendig ist.
Lesen Sie anbei den Briefwechsel zwischen der Netzwerk-Sprecherin Monika Lüpke und Steve Kuhlmann, dem Leiter des Wahlkreisbüros!
Anhebung der Verdienstgrenzen für Minijobberinnen
Sehr geehrter Herr Brinkhaus,
gerade habe ich in der NW gelesen, dass die CDU / CSU in ihrem Wahlprogramm den Vorschlag aufgenommen hat, die Verdienstmöglichkeiten für Minijobber*innen von 450,- € auf 600,- € anzuheben. Seit vielen Jahren setzt sich das Netzwerk „Frauen & Arbeitspolitik im Kreis Herford“ zusammen mit dem DGB und seinen Einzelgewerkschaften sowie vielen anderen frauenpolitischen Akteurinnen (so z. B. auch die Frauen-Union im Kreis Herford) für eine Reform der Minijobs ein.
Mit zwei Dritteln machen Frauen den größten Teil der Minijobber*innen aus. Minijobs sind weder existenzsichernd noch sozial abgesichert. Sie sind auch keine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. Der Weg in reguläre Beschäftigung ist für Minijobber*innen häufig sogar versperrt – mit dramatischen Folgen für ihre soziale Absicherung, insbesondere im Alter und auch in Krisenzeiten, wie die Corona-Pandemie gerade zeigt: Ohne Beiträge zur Arbeitslosenversicherung besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld I! Das befördert den Weg in die Armut oder Abhängigkeit vom Partner und verstärkt darüber hinaus die Einkommensunterschiede von Frauen und Männern sowie die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung.
Insofern ist die von Ihnen geplante Anhebung der Verdienstgrenzen das völlig falsche Signal! Der grundgesetzliche Auftrag zur Herstellung der Gleichberechtigung wird damit konterkariert! Vielmehr gehört eine Überführung von Minijobs in die Systeme der sozialen Sicherung auf die gleichstellungspolitische Agenda Ihres Wahlprogramms!
Sehr gerne würden wir uns mit Ihnen zu diesem und anderen gleichstellungspolitisch relevanten Themen auch persönlich austauschen.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Lüpke
Sehr geehrte Frau Lüpke,
entschuldigen Sie bitte zunächst, dass eine Antwort ein wenig auf sich hat warten lassen.
Grds. hat die Union eine Erhöhung der Verdienstgrenze für die sogenannten Minijobber von 450 auf 550 Euro in ihr Wahlkampfprogramm aufgenommen. Dabei geht es vor allem darum, nach der letztmalige Erhöhung vor über acht Jahren, einen Inflationsausgleich zu schaffen und den Maximalverdienst an die steigenden Stundenlöhne anzupassen.
Viele Studierendenverbände haben seit Jahren für eine Erhöhung gestritten.
In Ihrer Analyse, dass eine geringfügige Beschäftigung in den seltensten Fällen ein Zugang zu einer vollumfänglichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt ermöglicht, liegen Sie richtig. Dabei soll der Minijob aber auch keiner "vermittelnde" Position haben. Hierzu bedarf es konkreterer zielgesteuerter arbeitspolitsicher Maßnahmen.
Um tiefgreifender über die von Ihnen aufgeworfenen Fragen fachkundig diskutieren zu können, schlägt Ihnen Herr Brinkhaus eine Kontaktaufnahme zu Ihrem örtlichen Bundestagsabgeordneten Dr. Tim Ostermann sowie dem CDU-Bundestagsbewerber Joachim Ebmeyer vor.
Ihnen wünschen wir alles Gute!
Herzliche Grüße
Steve Kuhlmann
Leiter des Wahlkreisbüros
Sehr geehrter Herr Kuhlmann,
vielen Dank für Ihre Antwort. Mit dem örtlichen Bundestagsabgeordneten Dr. Tim Ostermann stehen wir ebenso in Kontakt wie mit dem CDU-Bundestagbewerber Joachim Ebmeyer. Auch mit Dr. Carsten Linnemann haben wir die Angelegenheit bereits erörtert. Uns ist und bleibt unverständlich, ja es empört uns, wie die CDU/CSU in ihrem Wahlprogramm eine Erhöhung der Verdienstgrenzen für geringfügig Beschäftigte aufnehmen kann, wenn Fakten, Erkenntnisse und Studien belegen, dass diese Beschäftigungsverhältnisse in jeglicher Hinsicht problematisch sind: Für die so Beschäftigten, für die Volkswirtschaft, für die sozialen Sicherungssysteme!
Und die Corona-Pandemie zeigte, dass Minijobber*innen besonders hart betroffen sind, weil sie kein Kurzarbeiter- und kein Arbeitslosengeld I erhalten und gleichzeitig besonders häufig in Bereichen der Gastronomie, dem Einzelhandel oder im Kulturleben arbeiten. Sie haben insofern Recht, dass gerade Studierende durch den Wegfall vieler Minijobs in diesen Bereichen Schwierigkeiten hatten, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Aber dass Studierendenverbände seit Jahren für eine Erhöhung gestritten haben, ist uns neu. Wir wissen nur von entsprechenden Forderungen der Jungen Union. Vielmehr gilt für Studierende die das 25igste Lebensjahr vollendet haben keine Mitversicherungsmöglichkeit mehr in der gesetzlichen Krankenversicherung der Eltern! Deshalb hätten auch diese ein Interesse an sozialversicherungspflichtiger Teilzeit!
Gespräche mit Arbeitgeber*innen haben uns gezeigt, dass die Einführung des Mindestlohns den Minijob für diese - zumindest ohne eine Erhöhung der Verdienstgrenzen - zunehmend unattraktiver macht! Und das ist aus Sicht der Gleichstellung von Frauen auch gut. Für viele Ehefrauen sind Minijobs zunächst attraktiv, weil die Rahmenbedingungen stimmen: Brutto für Netto, Ehegattensplitting, Steuerklassen 5 und 3, beitragsfreie Mitversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung. Häufig übersehen sie dabei, dass der Minijob sich längerfristig als Sackgasse entpuppt. Aus frauenpolitischer Sicht (s. z. B. den 1. und 2. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung) muss der Minijob deshalb komplett in eine versicherungspflichtige Tätigkeit umgewandelt werden! Eine Erhöhung der Verdienstgrenze um das Instrument Minijob trotz Mindestlohn attraktiv zu behalten ist für uns der völlig falsche Weg.
Vielleicht können Sie unsere Empörung nachvollziehen, wenn Sie hören, dass unser Netzwerk "Frauen & Arbeitspolitik im Kreis Herford" in diesem Jahr sein 25jähriges Bestehen feiert und wir seit Einführung der geringfügigen Beschäftigung dagegen opponieren. Welche nachhaltigen Vorteile für unsere gesamte Gesellschaft die politisch Verantwortlichen bei dieser Beschäftigungsform sehen blieb uns bislang verschlossen. Zumal wir uns besonderen Regelungen für Studierende und Rentner*innen nicht verschließen.
Deshalb fordern wir auch die CDU / CSU auf, eine tatsächliche Reform der Minijobs in Ihr Wahlprogramm aufzunehmen. Und das bedeutet eine Umwandlung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ab dem 1. Euro!
Mit freundlichen Grüßen
Monika Lüpke
Das Netzwerk "Frauen & Arbeitspolitik" hat Frauen aus dem Kreis Herford aufgesucht, die von der Pandemie auf unterschiedlichste Weisen betroffen waren. So individuell die Erlebnisse auch waren - es steht fest, dass Frauen am meisten unter den Folgen der Pandemie leiden.
Die Kontaktdaten der Frauen wurden an die NW weitergeben. Anbei folgt der erste Artikel zum Thema:
NRW will Minijob-Verdienstgrenze auf 530 € erhöhen! Damit ist Altersarmut von Frauen vorprogrammiert!
Der Ministerpräsident des Landes NRW, Armin Laschet sowie der Wirtschaftsminister des Landes NRW, Andreas Pinkwart, wollen eine Anhebung der Verdienstgrenze für Minijobs erwirken: Am 9. Oktober 2020 sollte der Bundesrat darüber abstimmen, ob die Verdienstgrenze von derzeit 450 € auf 530 € angehoben werden soll.
Das Netzwerk "Frauen & Arbeitspolitik im Kreis Herford" ist empört: Seit langem ist bekannt, dass Minijobs negative Auswirkungen auf die Gleichberechtigung von Frauen im Arbeitsleben haben. Die derzeitige Ausgestaltung bewirkt, dass Frauen davon abgehalten werden, sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten aufzunehmen. Die Expertisen zum ersten und zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung weisen diese Zusammenhänge eindeutig nach. Eine Erhöhung der Verdienstgrenze zementiert überkommene Familienrollen und verfestigt die spezifischen Nachteile für verheiratete Frauen im Bereich des Steuerrechts und der Sozialversicherung. "Frauen in der Steuerklasse V haben so hohe Abzüge, dass es sich für sie häufig nicht lohnt, eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen. Der Minijob sorgt meistens auch für eine Herabstufung ihrer Qualifikation. Da ist es kein Wunder, dass die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern immer noch so groß ist, und dass die Renten der Frauen direkt in die Altersarmut führen", so Monika Lüpke, Sprecherin des Netzwerkes.
Das Netzwerk "Frauen & Arbeitspolitik im Kreis Herford" fordert seit vielen Jahren die Reform der Minijobs und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ab dem ersten Euro! Außerdem gehört zu den Auswirkungen der Pandemie ein massiver Arbeitsplatzverlust von Minijobber*innen. Besonders hoch und gravierend ist dieser Verlust für Personen, die ausschließlich im Minijob beschäftigt sind. Das trifft zu über 60% Frauen. Ihnen steht nicht einmal Kurzarbeitergeld zu.
Deshalb fordern wir das Land NRW auf, diesen Antrag zurückzuziehen!
Sehr geehrte Frau Lüpke,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 21. Dezember 2020 an Herrn Ministerpräsident Laschet, dass an unser Haus weitergeleitet worden ist.
Herr Minister Laumann hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Wie Sie wissen ist die geplante Erhöhung der Verdienstgrenze bei den Minijobs Teil einer Bundesratsinitiative, die insgesamt 48 Vorschläge beinhaltet. Wir wollen damit einen Beitrag zum Bürokratieabbau in unserem Lande leisten.
Ich nehme Ihre Gegenargumente zur Kenntnis. Sie werden sicherlich im Rahmen unserer Diskussion im Bundesrat zur Sprache kommen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Erläuterungen helfen konnte und wünsche Ihnen und Ihrer Familie, dass Sie gesund bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Team Anfragen im Büro des Ministers
Karl-Josef Laumann
Ministerium für Arbeit, Gesundheit
und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
Im Zuge des Antrages auf Erhöhung der Verdienstgrenze von 450 € auf 530€ haben sich die Mitglieder des Netzwerkes "Frauen & Arbeitspolitik im Kreis Herford" mit Briefen an Armin Laschet und Andreas Pinkwart gewandt.
Klicken Sie hier und werden Sie selbst aktiv, indem Sie den Brief an die folgenden Adressen schicken und so dabei helfen, auf diese Problematik aufmerksam zu machen!
Adressen: armin.laschet@landtag-nrw.de, ministerpraesident@stk.nrw.de, oder Postfach 101143, Platz des Landtags 1, 40002 Düsseldorf
Andreas Pinkwart über das Ministerium: poststelle@mwide.nrw.de oder Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, Berger Allee 25, 40213 Düsseldorf
Zur Bundestagswahl 2017 hat das Team von Frau TV überlelgt, welche Themen für Frauen wichtig sind. Monika Lüpke, Sprecherin des Netzwerkes Frauen & Arbeitspolitik, spricht in der Sendung darüber, wieso die Gleichstellung von Frau und Mann, also die Existenzsicherung von Frauen, in den Wahlprogrammen zu kurz kommt und was die Parteien zum Thema Minijob sagen.
Die Sendung "frau TV" macht eine Serie zum Thema Frauenarmut. Dazu besuchte ihr Team die Frauen des Netzwerkes im Kreishaus Herford, da die Netzwerk-Frauen vor allem mit ihrer Petition zur Abschaffung des Minijobs auf Frauenarmut aufmerksam gemacht haben.
Sehen Sie den Beitrag hier!
Dieser Flyer liegt bei den Gleichstellungsstellen im Kreis Herford aus und kann dort bei Interesse abgeholt werden!
Weitere Dokumente finden Sie hier zum Download:
Aufruf für eine Reform der Minijobs
Informationen für Arbeitgeber*innen zum Minijob